Die Generalversammlung von von ASF-International 2017 vom 17. bis zum 23. April war dem besonderen Anlass des 10-jährigen Jubiläums gewidmet und stand daher unter dem Motto ”Looking back, Moving forward“. Mehrere Partnerorganisationen hatten sich um die Ausrichtung der Veranstaltung beworben. Die Wahl fiel schließlich auf Trivandrum an der Südwestküste Indiens und fand damit zum zweiten Mal in einem asiatischen Land statt.
Bereits 1979 machte ASF-France den Anfang gefolgt von ASF-España, das sich 1992 gründete. 2007 kamen dann 10 europäische Partnerorganisationen im belgischen Hasselt zusammen und verabschiedeten die Satzung von ASF-International als gemeinsamer Dachorganisation und Plattform zum gegenseitigen Austausch von Informationen über die jeweilige eigene Projektarbeit und für gemeinsame Initiativen. Seither ist die Organisation kontinuierlich auf mittlerweile 32 Mitglieder angewachsen.
Die Mitgliedsorganisationen von ASF-International betreuen Planungs- und Bauaufgaben gemeinsam mit lokalen Partnern auf allen 5 Kontinenten. ASF-International
– unterhält eine Webseite mit Informationen über die Mitglieder und ihre Aktivitäten mit Projektbeschreibungen und Kontaktdaten
– erstellt eine Informationsdatenbank mit Fachinformationen, mit interessanten Projekten und anderen Veröffentlichungen und anderen Organisationen mit besonderen Qualifikationen
– entwickelt und veranstaltet Online-Aufbaukurse zum Bauen in der Entwicklungszusammenarbeit
– unterstützt die Gründung und den Aufbau lokaler ASF-Organisationen
– arbeitet mit vielen internationalen und lokalen Partnern zusammen mit dem Ziel nachhaltige, partizipative und sozial verantwortliche Bau- und Planungsprozesse zu fördern
Unsere indische Partnerorganisation ASF-India hat eine Woche lang ein sehr eindrucksvolles Programm auf die Beine gestellt, beginnend mit einem 4-tägigen Bambus- und Lehmbauworkshop, einem eintägigen ASF-Dialog Seminar mit Kurzvorträgen und Gruppendiskussionen zum Thema ”Looking back, Moving forward“, dem Tag der Mitgliederversammlung und einer eintägigen Abschlussexkursion. Das C.A.T – College of Architecture Trivandrum war ein sehr geeigneter Ort für das abwechslungsreiche Veranstaltungsprogramm.
Am Bambus- und Lehmbauworkshop nahm eine Gruppe von etwa 30 Personen teil, die sich aus den Mitgliederorganisationen von ASF-International und Studierenden des College of Architecture zusammensetzte. Die Zusammenarbeit mehreren in parallel arbeitenden Kleingruppen mit jeweils unterschiedlichen Aufgaben statt, die sich abwechselten, so dass jeder sich mit den verschiedenen Arbeiten vertraut machen konnte. Zusammenarbeit und Informationsaustausch sowie gegenseitiges Kennenlernen konnte sich von selbst spielerisch und in einem multikulturellen Kontext und generationenübergreifend entwickeln. Nach kurzer Gewöhnungszeit ließ sich so auch das schweißtreibende Klima gut ertragen.
Die Organisation und Betreuung des Bamboo-Workshops lag in den Händen von ASF-Indonesia. Am Anfang stand eine theoretische Einführung in die Besonderheiten der Bambussorten und der Bauweise mit Bambus mit ihren verschiedenen Verbindungstechniken und der weltweiten Verbreitung von Bambus als Baumaterial im Tropengürtel. Zielsetzung war den Teilnehmern die wesentlichen Grundlagen zur Arbeit mit Bambus zu vermitteln, um diese bei Bedarf auch selbst in Projekten einsetzen zu können. Die theoretischen Grundlagen wurden im anschließenden Workshop praktisch vertieft. Gemeinsam wurde eine typische Konstruktion ausgewählt, die dann angefertigt wurde. Dabei konnte sich jede/r in der Herstellung der verschiedenen Knotenverbindungen mit Bohrer, Säge und Feile üben. Die erstellten Bauteile wurden schließlich zu einer selbst tragenden Rahmenkonstruktion zusammengefügt, die als Überdachung diente.
Der Lehmbau-Workshop wurde von ASF-India organisiert und betreut. Auf dem Gelände der Architekturfakultät wurden verschiedene grundlegende Lehmbautechniken erläutert und geübt, wie das Arbeiten mit feuchten Strohlehmbatzen, der Lehmziegelbau und der Stampflehmbau. Mit Hilfe speziell dafür entwickelter Hilfskonstruktionen wurden kleine exemplarische Baufaufgaben wie eine Kuppel, mehrere gereihte parabolische Bögen, eine kleine Stampflehmwand und eine halbrunde Sitzbank mit einer bambusarmierten Rückenlehne realisiert.
Das eintägige ASF-Dialog Seminar am Freitag den 21. April begann nach einer Einführung von Guruprasad Rande (ASF-India) mit einem Kurzvortrag von Vorstandsmitglied und Gründungsmitglied Stephane Plisson (ASF-France), der einen Bogen von den Anfängen der Architectes Sans Frontières mit der Gründung der französischen Organisation 1979 in Paris über die wesentlichen Stadien bis heute spannte (http://www.asfint.org/about-us). Vertreter anderer Organisationen folgten und stellten ihre bisherige und künftige Projektausrichtung vor. Besondere Aufmerksamkeit fanden die Projektarbeiten von ASF-Indonesia im Rahmen der Tsunamifolgenbewältigung, von ASF-Nepal zur Aufarbeitung und Bewältigung der Folgen des Erdbebens von 2015, aber auch die Weiterentwicklung der Online-Fortbildungsmodule im Rahmen von Challenging-Practise mit ASF-UK, ASF-Spain, ASF-Italy und ASF-France. Am Abend klang der Tag mit der Feier zu 10 jährigen Bestehen von ASF-Int im Garten des ehemaligen Amtsgebäude des letzten Königs statt mit Spezialitäten der indischen Küche.
Am Samstag den 22. April fand schließlich die General Assembly von ASF-Int ebenfalls im C.A.D. statt. Nach der Vorstellung der sachlichen und finanziellen Rechenschaftsberichte und der Entlastung des Vorstandes stand wie jedes Jahr die Neuwahl der turnusgemäß jährlich auslaufenden Vorstandsposten (2 zeitlich um 1 Jahr versetzte Kontingente). Alle Kandidaten wurden in geheimer Wahl neu in den Vorstand gewählt. Der neue Vorstand hat jetzt 9 Mitglieder. Veränderungen im Vorstand sind selbstverständlich und finden jedes Mal statt. Seit seiner Gründung 2007 hat der Verein bereits vier verschiedene Vorsitzende gehabt. Die jeweils nach der Wahl innerhalb des Vorstands neue Verteilung der Vorstandsposten garantiert Meinungsvielfalt, Pluralismus und Demokratie. Vorstandsposten können wechseln, jeder hat eine Chance und Meinungsführerschaft wird so wirksam beschränkt.
Die Sightseeing-Tour am letzten Tag führte die Teilnehmer an exemplarische kulturelle Orte wie den Kuthiramalika-Palast. Der ehemalige Palast der Rajas von Travancore ist ein Holzbau im typischen Kerala-Stil mit bemerkenswerten Schnitzarbeiten. Ein Teil des Palastes ist heute ein Museum (Puthenmalika-Museum). Das Laurie Baker Center war ein weiteres Highlight. Laurie Baker (1917-2007) war ein in England geborener Architekt, der durch seine Initiativen für kosteneffektives und energieeffizientes Bauen in Verbindung mit cleverer Raumausnutzung und einfacher, aber ansprechender ästhetischer Empfindsamkeit bekannt wurde. Er zog im Jahr 1945 als Teilzeit-Missionar nach Indien, wo er über 60 Jahre lang lebte und arbeitete. 1988 erhielt er die indische Staatsbürgerschaft und hatte seinen Wohnsitz in Thiruvananthapuram. Im Gegensatz zur vorherrschenden Hochtechnologie schuf Baker 1971 in Trivandrum ein Kühlsystem, indem er einen hohen vergitterten Ziegelwall in der Nähe eines Teiches platzierte, um so Luftdruckunterschiede dazu zu nutzen, kühle Luft durch ein Gebäude zu ziehen. Seine Rücksichtnahme gegenüber den niemals identischen Kontextbedingungen und sein Respekt vor der Natur ermöglichten ihm offensichtlich die Verschiedenartigkeit und Buntheit, die sein Werk durchdringt. Zu seinen spektakulären Gebäuden gehört das Indian Coffee House in der Nähe des Hauptbahnhofes (unserer häufigster Aufenthaltsort). Ihren eindrucksvollen Abschluss fand die Sightseeing-Tour mit dem Sonnenuntergang am Strand von Trivandrum.
Verfasser: Thomas Schinkel