Wir haben gemeinsam mit dem Büro humantektur am 9./10. November 2018 unsere Veranstaltungsreihe zum Thema Wissenskooperation „Nachhaltiges Bauen in der Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe“ unter dem Kürzel „NaBEK_5″ fortgesetzt. Zum wiederholten Mal in Berlin in den Räumlichkeiten des Institut Français. Zum fünften Mal hat sich eine sehr bunt gemischte Gruppe von Fachleuten und Planer:innen aus dem breiten Spektrum der Entwicklungszusammenarbeit getroffen, um Wissen und Erfahrungen auszutauschen und weiterzugeben. Das Thema lautete diesmal „Architektur + Wasser“. Es ging um nachhaltiges Wassermanagement in den verschiedenen Sektoren und auf verschiedenen Ebenen in der Entwicklungszusammenarbeit und Katastrophenhilfe. Die Schwerpunkte lagen auf der Trinkwasserversorgung, Sanitärversorgung, Wasserqualität und Herausforderungen für die Planung und Umsetzung von Gebäuden in hochwassergefährdeten Regionen.
Vier Input-Vorträge am ersten Veranstaltungstag gaben den Teilnehmer:innen einen kleinen Einblick auf das breite Spektrum, die verschiedenen Aktionsebenen und die Bedeutung von Wasser in seinen verschiedenen Erscheinungsformen für die Architektur und der Umgang damit. Nach der Begrüßung der Veranstaltungsteilnehmer:innen durch Thomas Schinkel von Architekten über Grenzen e. V. übernahm Michael Grausam von Projektpartner, dem Büro humantektur, die Vorstellung des Programms der beiden Veranstaltungstage.

Die Architektin Antje Holdefleiß – Mitarbeiterin bei Porr Design & Engeneering GmbH Berlin und Projektleiterin für Nachhaltiges Bauen und Zertifizierungen nach DGNB/LEED – stellte in ihrem Beitrag „Nachhaltiges Wassermanagement in Bauprojekten, Praxisbeispiel Universität Accra/Ghana“ die Ergebnisse einer langfristigen Forschungsarbeit vor. Im Rahmen der Umsetzung verschiedener Varianten integrierter Sanitärversorgung bei Institutsgebäuden und der Mensa der VVU EcoCampus – Valley View Universitiy, konnten umfangreiche Erfahrungen dazu gemacht werden. Unterschiedliche Konzepte von Stoffstromtrennung (Spülwasser, Urin, Fäkalien) wurden realisiert. Modelle für die Nachbehandlung und Verwertung verschiedener Wasserqualitäten (Grau-, Gelb-, Schwarzwasser) für WC-Spülung, landwirtschaftliche Projekte und Biogasproduktion wurden verglichen. Daneben wurden verschiedene Möglichkeiten der Ableitung, Speicherung und Versickerung von Grauwasser auf dem Unicampus vorgestellt und hinsichtlich möglicher Risiken bewertet. Unter Federführung des IÖV – Ingenieurökologische Vereinigung wurden diese Erfahrungen publiziert (Titel: „Zukunftsfähige Siedlungs-Ökosysteme“ Gunther Geller, Detlef Glücklich, Springer Verlag).
Im zweiten Input-Vortrag stellte Christoph Lettgen – als freier Projektberater für unterschiedliche Organisationen tätig – „Katastrophensichere Evakuierungszentren auf den Philippinen“ vor, bei deren Umsetzung er mitgewirkt hat ebenso wie die damit verbundenen Strategien zum Schutz der Bevölkerung nach Starkregen und Tsunamiereignissen infolge von Meeresbeben. Unter Beteiligung der lokalen Bevölkerung in Workshop-Veranstaltungen wurden integrierte Konzepte in einem partizipativen Prozess entwickelt, bevor entsprechende Baumaßnahmen geplant und realisiert wurden.

Jutta Himmelsbach – Referentin für Wasser und Sanitär bei Misereor – ging in ihrem Vortrag Soziale Implementierung von Wasserinfrastrukturprojekten zunächst auf die Ziele, die Arbeitsweise und die Organisation von Projekten ein, die bei Misereor ausschließlich mit  lokalen Partnern durchgeführt werden. Im Anschluss wurde an Hand von Projektbeispielen verdeutlicht, was das für Projekte der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in verschiedenen regionalen Kontexten bedeutet.
Im letzten Freitagsvortrag gab Thomas Schinkel, Vereinsmitglied von Architekten über Grenzen e. V., einen Überblick über die Wasserprojekte in der DR-Kongo„. Angefangen von den „Lehrgängen zur Einführung des manuellen Brunnenbaus“ durch Vereinsmitglied Hartmut Heuser über den „Bau der Brunnenbauschule in Kikwit“ bis zu den aktuell ausgeführten manuellen Brunnenbohrungen, die mit Handseilbrunnen ausgestattet werden. Am Ende des Vortrages stand ein Überblick über den Umfang und die Wirkung der bisher fertiggestellten und künftig geplanten Brunnen. Im Anschluss an diese Projektvorstellung wurde zum Abschluss des Tagesprogramms der Film „Das Leben ist ein Kampf“ vorgestellt, der die mühevolle  Aufbauarbeit von Hartmut Heuser, die allmählichen Erfolge und die durchweg positive Resonanz in der Bevölkerung hautnah zeigt, eingehend auf den durchweg extrem schwierigen Kontext in einer der ärmsten Weltregionen. Mittlerweile ist es eine kongolesische Angelegenheit, die in eigener Regie und Verantwortung von der Diözese Kikwit durchgeführt wird.

Den Samstag eröffnete Wolf Raber vom Institut für Ressourcenmanagement mit einem Vortrag über Ansätze für eine wassereffiziente Objektplanung auf Quartiers- und Gebäudeebene. Infolge des Klimawandels werden immer häufiger Extremwetterereignisse beobachtet, die zum Versagen der lokalen Infrastrukturen insbesondere in städtischen Agglomerationen führen und immer aufwendigere Schutzmaßnahmen (Sammelbecken, Speicher, Überläufe) erforderlich machen. Dagegen kann man mit intelligenten Modellen zur Versickerung, Verteilung und Nutzung von Überschusswasser gegenwirken. Schwerpunkte der Arbeit von Wolf Raber sind innovative, sektorübergreifende Infrastrukturkonzepte, die Entwicklung von Land- und Wassermanagementkonzepten, landwirtschaftliche Bewässerung mit gereinigtem Abwasser, Stoffstrommanagement u. a. Aktuelle Projekte im In- und Ausland zeigen eine sehr große Bandbreite von kontextbezogenen, technischen Möglichkeiten.
Im Anschluss berichtete Jürgen Stäudel – Fachingenieur für Umwelt, dezentrale Infrastruktursysteme, Wasserver-/entsorgungssysteme – über seine Erfahrungen mit der Implementierung von integrierten nutzer:innenfreundlichen Abwasserprojekten. Unter dem Titel Herausforderungen in der Umsetzung von Wasser- und Sanitärversorgung und Chancen integrierter Systeme stellte er konkrete Praxisbeispiele aus Äthiopien, Kambodscha und der Mongolei vor. Gemeinsam mit der Bauhaus-Universität in Weimar hat er 2012 das stoffstrombasierte Sanitärsystem „iPiT“ entwickelt und in einem Pilotprojekt in der Mongolei erprobt. Das Ziel war ein nachhaltiges d. h. wasserparendes Sanitärsystem mit Ressoucenrückgewinnung in der Praxis zu testen und in der Bevölkerung als ernstzunehmende Alternative für traditionelle, ebenso wie für nach westlichem Vorbild häufig gewünschten, Spültoiletten zu etablieren. Wichtige Aspekte waren die Nutzer:innenakzeptanz sowie die Integration in ein Gesamtsystem mit einem Betreiber:innenmodell, dass die Nutzer:innen bei der Erstellung und Instandhaltung der Toiletten berücksichtigt, den Abtransport und die Verwertung der Fäkalien jedoch an einen professionellen Kleinbetrieb vergibt. Zu den Komponenten des Systems gehören ein angepasstes „westliches“ Toilettendesign, sicher verschließbare Fäkalienbehälter (in diesem Fall mit Frostschutz) mit einer transportierbaren Behälterform und leicht austauschbar auf einem Schienensystem gelagert.

Am Nachmittag konnten die Teilnehmern:innen die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen von „World-Cafe-Runden“ an drei Tischen mit den drei Schwerpunktthemen „nachhaltige Wasserversorgung“, „nachhaltige Abwasserbeseitigung“  und “ flutresistentes Bauen“ vertiefen und eigene Ideen und Anregungen vortragen. Den Abschluss der Veranstaltung bildete wie gewohnt das große Plenum, bei dem die Ergebnisse der „World-Cafe-Runden“ vorgetragen wurden und die Teilnehmer:innen abschließend Ihre Eindrücke von den beiden Veranstaltungstagen vortragen konnten. Die Resonanz war erfreulich positiv. Zum Abschluss der Veranstaltung bedankten sich die Veranstalter, vertreten durch Michael Grausam, Thomas Schinkel und den Vorsitzenden von Architekten über Grenzen e. V. Frank Bertram bei den Vortragenden und den Teilnehmenden für die vielen wertvollen Redebeiträge.
Informationen zu den bisherigen Veranstaltungen finden sich hier:
NaBEK_1 am 29. Januar 2016, Frankfurt a. Main
NaBEK_2 am 29./30. April 2016, Berlin
NaBEK_3 am 22./23. September, Berlin
NaBEK_4 am 29./30. Sept. 2017, Berlin
Die Ergebnisse der Veranstaltungen 1-3 finden sich im NaBEK-Handbuch

Verfasser: Thomas Schinkel